Rebalancing aus Sicht der Privatanleger – Hier erfahren Sie alles

Früher war die Welt auch bei der Geldanlage zumindest gefühlt manchmal einfacher. Wer in den 1990er Geld anlegte, konnte zum Beispiel 10jährige Bundesanleihen kaufen und erhielt Jahr für Jahr solide Renditen von z.B. 6% pro Jahr. Oder bei einem DAX-Stand von unter 2.000 Punkten wurde ein breit gestreutes Aktiendepot aufgebaut und einfach „liegen gelassen“. Einen jährlichen Cash-Zufluss brachten bereits die Dividenden. Heute hingegen ist es nicht mehr so einfach – zumindest ist das der subjektive Eindruck vieler Anleger. Und die Fakten stützen das auch, zumindest teilweise. Schauen wir nur auf die Renditen 10jähriger Bundesanleihen. Statt 6% und mehr gibt es zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrags gerade einmal rund 0,3% Rendite pro Jahr für 10jährige Bundesanleihen. Und kurz laufende deutsche Staatsanleihen bringen oft genug Negativ-Zinsen. Macht nun eine erfolgreiche Geldanlage eine größere Aktivität der Geldanleger notwendig? In diesem Zusammenhang fällt das Stichwort „Rebalancing“. Rebalancing soll für Privatanleger im derzeitigen Umfeld sehr empfehlenswert sein. Um was genau es dabei überhaupt geht und was für Möglichkeiten es gibt, darum geht es in diesem Beitrag.

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Worum es beim Rebalancing geht

Für professionelle Vermögensverwalter(innen) ist der Begriff des „Rebalancing“ natürlich nichts Neues. Doch auch Privatanleger(innen) können ihren Performance durchaus verbessern und Struktur in ihre Depots bringen, wenn sie auf „Rebalancing“ achten. Um was es dabei überhaupt geht: „Rebalancing“ lässt sich sinngemäß mit „die Balance wiederherstellen“ übersetzen. Welche Balance? Die des eigenen Depots = Portfolios. Und zwar geht es dabei um die strategische Ausrichtung. Diese Gedanken und Anregungen gehen übrigens auf Benjamin Graham zurück (1894-1976), gewissermaßen den „Vater“ der modernen Fundamentalanalyse. Und Benjamin Graham ist auch der damalige Lehrmeister und Inspirator des derzeitigen Star-Investors Warren Buffett. Der Gedanke des Rebalancing wurde danach von diversen Wirtschaftswissenschaftlern aufgegriffen und in der Portfoliotheorie verwendet. Doch was genau ist Rebalancing nun?

Rebalancing Privatanleger

1. Ein Beispiel für das Rebalancing

Beim Rebalancing geht es darum, eine ursprüngliche Depotstruktur wieder herzustellen. Ein Beispiel: Ein Investor hat sein Vermögen zu 30% in Anleihen, 30% in Aktien und 30% in Gold-Zertifikate investiert. Nach 10 Jahren haben sich die Kurse der Assets in den drei Anlagekategorien sehr unterschiedlich entwickelt. Dies ist ein rein fiktives Beispiel – nehmen wir einmal diese Daten:

Jahr X, Depotstruktur:

  • 30% Aktien
  • 30% Anleihen
  • 30% Gold-Zertifikate

10 Jahre später:

Es fanden keinerlei Transaktionen statt. Aufgrund der unterschiedlichen Wertentwicklung der Assets hat sich die Depotstruktur dennoch geändert:

  • 20% Aktien
  • 60% Anleihen
  • 20% Gold-Zertifikate
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So könnte es zum Beispiel nach 10 Jahren aussehen, in denen die Preise von Aktien und Gold per saldo etwas gefallen sind, gleichzeitig die Kurse von Anleihen stark gestiegen sind. Letzteres ist z.B. möglich, wenn die Zinsen von einem Niveau im Bereich 5% hin Richtung Null fallen. Denn dann steigen die Kurse der Anleihen (wie Staatsanleihen) stark. Genau das haben wir bekanntlich in den letzten Jahren gesehen. In den 1990ern konnten mit 10jährigen Bundesanleihen Renditen von 6% und zeitweise deutlich mehr erzielt werden. Ich erinnere mich an einen Kupon von 8,75%, bei dem es damals hieß, die Anleger seien „enttäuscht“, dass keine „9“ vor dem Komma stehen würde. Das muss man sich mal vorstellen – heute hingegen können Anleger schon froh sein, wenn es bei Bundesanleihen überhaupt eine positive Rendite gibt. Sie sehen, dass sich die Gewichtung der drei Positionen im Depot (diese Positionen können jeweils mehrere Unter-Positionen umfassen) im Laufe der 10 Jahre in diesem Beispiel stark geändert hat. Mit Rebalancing ist nun genau dies gemeint:

Rebalancing stellt die ursprüngliche Portfolio-Struktur wieder her

Rebalancing in diesem Beispiel würde nun bedeuten, dass der auf 60% am Gesamtdepot gestiegene Anteil des Segments „Anleihen“ wieder auf die ursprünglichen 30% zurückgefahren wird. Dies könnte in der Praxis dadurch geschehen, dass die Hälfte der Positionen im Segment „Anleihen“ verkauft würde. Der Verkaufserlös könnte dann dazu genutzt werden, bei den Positionen „Aktien“ und „Gold-Zertifikate“ die Positionen aufzustocken. In diesem Beispiel müsste der Verkaufserlös aus den Anleihen-Positionen im Verhältnis 50:50 auf die beiden Positionen „Aktien“ und „Gold-Zertifikate“ aufgeteilt werden. Nach Abschluss dieses „Rebalancings“ sollte dann die ursprüngliche Aufteilung wieder hergestellt sein: 30% Aktien, 30% Anleihen, 30% Gold-Zertifikate.

Rebalancing: Die Wiederherstellung der ursprünglichen Portfolio-Struktur

Bitte beachten Sie: Ein solches „Rebalancing“ ist zunächst einmal unabhängig von der Einschätzung der Basiswerte. Ein Rebalancing in reiner, ursprünglicher Form stellt die ursprüngliche strategische Aufteilung des Depots (gemessen am Prozentsatz der unterschiedlichen Anlagekategorien) wieder her. Nicht mehr und nicht weniger. Wieso das überhaupt empfehlenswert ist:

Rebalancing Privatanleger

Der Vorteil des Rebalancings

Positionen, bei denen sich der Anteil am Gesamt-Portfolio stark erhöht hat, haben damit gezeigt, dass sie die anderen Positionen in Bezug auf die Performance „abgehängt“ haben. Sie haben auf jeden Fall besser als diese abgeschnitten, sonst hätte sich der prozentuale Anteil schließlich nicht erhöht. Im genannten Beispiel bedeutet der starke Anstieg der „Anleihen“-Position, dass die Kurse der Anleihen im Depot stark gestiegen sind. Es ist auch möglich, dass die Anleihenkurse stagnierten, aber die Kurse der anderen Kategorien stark fielen. Denn auch dann hätte sich der Anteil der Position „Anleihen“ erhöht. Es ist natürlich auch eine Kombination von beiden genannten Entwicklungen möglich. Der Kerngedanke des Rebalancing ist nun dieser:

Der Kerngedanke des Rebalancings

EinlagensicherungBei Positionen, die sehr gut gelaufen sind, sollten Gewinne mitgenommen werden. Und bei Positionen, die sich schwach entwickelt haben, sollte aufgestockt werden. Das sind sinngemäß die Grundgedanken von Benjamin Graham bzw. das, was sich aufgrund seiner Arbeiten erschließen lässt. Hier zeigt sich die Stärke und gleichzeitig eine Schwäche des Rebalancings. Beginnen wir mit den Vorteilen:

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Rebalancing sorgt für einen Ausgleich

Rebalancing ist im Grunde das Gegenteil von „Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen“. Denn beim Rebalancing geht es darum, besagte Gewinne auch einmal mitzunehmen. Und Verlustpositionen („Verlust“ ist hier auch relativ gemeint, im Sinne eines abnehmenden Anteils am Gesamt-Depot) sollten aufgestockt werden. Das geht regelrecht konträr zur Börsenweisheit „Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen“. Es geht mir hier nicht darum, zu untersuchen, wer „richtig“ und wer „falsch“ liegt. Beide Konzepte haben Ihre Berechtigung. Es gilt natürlich auf die Details zu achten. Wie lautet nochmal so schön die Standard-Antwort auf solche Fragen: „Es kommt darauf an!“ Genau. Und worauf kommt es an? Darauf:

2. Rebalancing: Die Grundlagen müssen stimmen!

Die ursprüngliche Depotstruktur muss sinnvoll sein – sonst macht auch das Rebalancing keinen Sinn. Denn das Rebalancing stellt gewissermaßen den ursprünglichen Zustand wieder her. Das ist exakt dann sinnvoll, wenn der ursprüngliche Zustand gut war. Wenn nicht, dann ist Rebalancing nicht zu empfehlen. Deshalb geht es zunächst einmal darum, die gewünschte Depotstruktur zu finden. Um im Beispiel zu bleiben: Halte ich die Depostruktur „30% Anleihen, 30% Aktien und 30% Gold-Zertifikate“ überhaupt für sinnvoll, ist es das Nonplusultra in Bezug auf mein persönliches Chance/Risiko-Profil? Dann, und nur dann, kann der Einsatz von „Rebalancing“ Sinn machen. Denn dann verhindere ich zum Beispiel Klumpenrisiken in meinem Depot. Was damit gemeint ist:

Rebalancing Privatanleger

Rebalancing: Ein Tool zur Verhinderung von Klumpenrisiken

kontoeroeffnungAngenommen, bei der gerade geschilderten Depot-Strukturierung würde der Anteil der „Gold-Zertifikate“ explodieren, ganz einfach weil der Goldpreis stark steigt. Angenommen, der Anteil der Gold-Zertifikate würde auf 90% steigen, während der Anteil von Aktien und Anleihen auf jeweils 5% schrumpfen würde. Das könnte für den betreffenden Anleger zunächst einmal positiv sein, und zwar dann, wenn dieser starke Anstieg des Goldzertifikate-Anteils durch starke Kursgewinne dieses Depotteils zustande kam. Denn das bedeutet kräftige Gewinne für diesen Depotteil. Noch besser, wenn die anderen Depotteile mindestens ihren Wert halten konnten (der relative Anteil aber zurückging). So weit, so gut. Doch wenn der Anleger nun so weitermacht (sprich, kein Rebalancing betreibt), dann ist er in Zukunft sehr stark von der Bewegung des Goldpreises abhängig. Der Großteil seiner künftigen Performance wird dann von der Entwicklung des Goldpreises (und evtl. des Dollarkurses, wenn es keine Währungssicherung gibt) abhängen, da der Anteil der Gold-Zertifikate auf 90% des Gesamtdepots gestiegen ist. Ob die Anleihenkurse nun etwas steigen oder fallen, ist für die Gesamtperformance dann nicht annähernd mehr so wichtig, da deren Depotanteil nur noch bei 5% liegt. Genau das ist mit Klumpenrisiko gemeint: Ein Depotwert hat einen sehr hohen Anteil am Gesamt-Portfolio erhalten. Diese Depotposition ist zu einem dicken „Klumpen“ geworden. Wenn es gut läuft, ist es gut. Doch was, wenn genau dieser Klumpen in der Zukunft enttäuschen wird?

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4. Klumpenrisiken sollen verhindert werden

Genau hier setzt das Rebalancing an. Denn bildlich gesprochen wird dieser „dicke Klumpen“ verkleinert, indem ein Teil davon weggenommen wird (Teil-Gewinnmitnahme) und mit dem Erlös werden die „kleineren Teile“ vergrößert. Auf diese Weise ist das Rebalancing ein nützliches Tool zur Verhinderung von Klumpenrisiken. Das kann auch und gerade dann sinnvoll sein, wenn es darum geht, nach einem starken Kursanstieg am Aktienmarkt die Risiken des eigenen Portfolios zu verringern. Mehr zu diesem Aspekt finden Sie in diesem interessanten Artikel von „Der Tagesspiegel“:

Wie sich Anleger vor dem Crash an der Börse schützen

Rebalancing und die Frage der Häufigkeit

Allerdings gibt es auch dabei einige Punkte zu beachten. Ich möchte hier den Aspekt der Häufigkeit betonen. Wie oft soll so ein Rebalancing betrieben werden? Wenn es zu oft geschieht – alles ist möglich, zum Beispiel warum nicht jeden Tag? -, dann widerspricht dies dem Gedanken des „Gewinne laufen lassen“ konträr. Wenn nach jedem Handelstag bei Gewinner-Positionen gewissermaßen der Rahm abgeschöpft wird, dann wird so ein richtiger „Durchmarsch“ einer Position verhindert. Und wie wir alle wissen, gibt es an den Finanzmärkten manchmal Trends, die länger laufen – da wäre es schön, wenn man dabei bleibt und nicht nach jedem Tag die Gewinne aus dem Spiel nimmt.

Rebalancing Privatanleger

Rebalancing: Einmal pro Jahr oder alle 10 Jahre? Es gibt viele Möglichkeiten

Andererseits kann ein zu seltenes Rebalancing auch negative Auswirkungen haben. Nehmen wir an, ein Anleger möchte nur alle 10 Jahren „rebalancen“. Nehmen wir an, er hätte mit Technologie-Aktien den Bullenmarkt Ende der 1990er mitgemacht. Bei einem jährlichen „Rebalancing“ hätte dieser Anleger 1999 wohl einen Teil der Gewinne bei Technologie-Aktien mitgenommen. Wenn aber z.B. nur alle 10 Jahre angepasst worden wäre und das Datum der Anpassung auf das Jahr 2001 gefallen wäre, dann wäre ein Großteil der Gewinne vielleicht verschwunden gewesen.

Sie sehen: „Zu oft“ hat genauso seine Risiken wie „zu selten“, wenn es um Rebalancing geht. Letztlich kommt es hier auch darauf an, wie der betreffende Anleger „tickt“ und um was für Werte es in der Depotstruktur geht. Ich persönlich finde Rebalancing dann gut, wenn es in der Kombination mit einem weiteren Punkt erfolgt: Und zwar der Prüfung, ob die ursprünglich vorgegebene Depotstruktur überhaupt noch sinnvoll ist. Oder anders formuliert: Wenn ich heute ein Depot neu starten würde, würde ich dann immer noch der Ansicht sein, dass meine damalige Depotstruktur sehr gut passt? Falls ich mit „Ja“ darauf antworte, dann folgt im nächsten Schritt das Rebalancing. Doch wenn ein „Nein“ die Antwort ist, dann halte ich auch das Rebalancing nicht für sinnvoll. Denn dann würde schließlich ein Zustand (in Bezug auf die strategische Allokation) wieder hergestellt, den ich gar nicht erstrebenswert finde. Dann lasse ich das lieber direkt. Rebalancing kombinieren mit Untersuchung der Depotstruktur, das finde ich persönlich sinnvoll. Aber was für Sie passt, das müssen Sie natürlich schon selbst bestimmen. Es geht um Ihr Geld und es gibt so viele unterschiedliche Anleger(innen), da denke ich, dass ein Pauschalrezept unpassend ist.

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5. Fazit zu Rebalancing aus Sicht der Privatanleger

Daumen_hochRebalancing ist eine auch für Privatanleger potenziell nützliche und die Performance verbessernde Maßnahme. Denn letztlich geht es dabei darum, dass bei besonders stark gelaufenen Positionen (denn deren Anteil am Depot hat sich erhöht) Gewinne mitgenommen werden. Im Gegenzug dazu werden bei unterdurchschnittlich gelaufenen Positionen (deren Anteil am Portfolio sich verringert hat) Positionen hinzugekauft bzw. bestehende Positionen werden aufgestockt. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass unterbewertete Assets irgendwann schon Richtung „fairer Wert“ tendieren. Und wenn eine Anlage besonders gut gelaufen ist, sollte sie gewissermaßen beschnitten werden, wie Obstbäume. Dieses Rebalancing kann sich durchaus bewähren, doch sollten Sie auch die möglichen Schwachstellen beachten. Denn das Rebalancing ist nur dann wirklich gut, wenn die ursprünglich vorgesehene Depot-Aufteilung auch sinnvoll war. Ein Beispiel: Wer 2000 50% auf „Neue Markt“-Aktien setzen wollte und diesen Anteil bis 2001 auf 10% schrumpfen sah, hätte laut „Rebalancing“ dann kräftig nachgekauft. Das wäre aber wohl kaum wirklich ratsam gewesen. Das Problem in diesem Fall wäre gewesen, dass die ursprüngliche Portfolio-Aufteilung (50% Neue Markt Aktien) bereits fragwürdig gewesen war. Damit steht und fällt die Theorie und der praktische Nutzen des „Rebalancing“.

Klarstellung

Betrachten Sie unsere Zeilen als Gedankenanstoß, nicht mehr und nicht weniger. Es geht um Ihr Geld – verantwortlich dafür sind Sie ganz alleine. Wir recherchieren nach bestem Wissen und Gewissen, übernehmen aber keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.

Bilderquelle: shutterstock.com