Rezension Fachbuch eines Star-Ökonomen – Angst als faktor im Wirtschaftssystem!

Der Querdenker und durchaus Star-Ökonom Tomáš Sedláček (u.a. Chefvolkswirt der größten tschechischen Bank) hat ein neues Buch veröffentlicht. Auf Deutsch heißt es „Lilith und die Dämonen des Kapitals“, Co-Autor ist der österreichische Journalist Oliver Tanzer. Da mir das vorige Buch von Sedláček, „Die Ökonomie von Gut und Böse“ gut bis sehr gut gefiel – insbesondere die unkonventionellen Ansätze fand ich klasse -, habe ich auch das neue Buch umgehend gelesen. Hier nun meine Einschätzung dazu:

Zunächst einmal: „Lilith und die Dämonen des Kapitals“ finde ich persönlich keineswegs so eingängig wie „Die Ökonomie von Gut und Böse“. Gerade das auch namensgebende Kapitel zu Lilith („Der Fluch von Produktion und Vernichtung“) finde ich etwas konstruiert, gewissermaßen den Lesefluss hemmend (zumindest meinen). Später aber dreht Sedláček wieder gewohnt auf und schafft es, mich bei der Lektüre zum Nicken zu bringen. Ein Beispiel – ich zitiere (S. 224):

„Nur ein Narr würde meinen, er wäre um 10.000 Euro reicher, wenn er sich diesen Betrag ausleiht. Das Geld ist nicht seins, sondern eben geborgt. (…)Wenn aber eine Regierung Schulden in der Höhe von drei Prozent des BIP macht (und dieses Geld dann in die Wirtschaft investiert) und das BIP im selben Jahr um drei Prozent wächst, ist jeder – auch die Topökonomen – begeistert.“

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Angst als Faktor im Wirtschaftssystem

Die Autoren haben als roten Faden des Buchs eine psychologische Analyse unseres Wirtschaftssystems genommen – so bescheinigen sie diesem zum Beispiel eine manisch-depressive Verhaltensweise. Und ziemlich oft wird Sigmund Freud zitiert, zum Beispiel dann, wenn es darum geht, dass das System bestimmte Dinge „verdrängt“. Auch dazu ein Beispiel: Die herrschende Schule der Volkswirtschaftslehre geht von einem rein rational handelnden „Homo Oeconomicus“ aus. Die Autoren weisen darauf hin, dass „Angst“ in diesen Modellen keine Rolle spiele, sprich ignoriert werde. Wenn aber ein dominanter Trieb wie die Angst von den volkswirtschaftlichen Modellen der herrschenden Schule vollständig ignoriert wird, dann spricht das nicht eben für diese Modelle.

Laut den Autoren waren da sowohl christliche Schriften als auch stoische Philosophen erheblich weiter. Das Christentum hat die Angst dem Leben zugesellt. Und Epiktet schrieb bereits um 80 n.Chr., dass es nicht die Dinge selbst seien, die uns in Furcht versetzen, sondern die Vorstellung, die wir von ihnen haben. Waren diese Autoren nicht um ein Vielfaches realistischer als die „herrschende Schule“ der Volkswirtschaftslehre mit ihrer Annahme von rein rational handelnden Individuen, die lediglich ihren persönlichen Nutzen maximieren möchten?

Die Autoren stellen viele Fragen und regen zum Nachdenken an – dabei werden nicht jedes Mal auch Antworten geliefert. Die Autoren haben mithin nicht immer „Alternativen“ parat, aber gerade das regt natürlich zum Nachdenken an. Die Wirtschaftskrise 2008 sehen sie als Ruf der Wirtschaft: „Werdet langsamer, macht mich langsamer“. Eine Lösung wäre gewesen, für alle: Arbeite vier Tage und kümmere dich drei Tage um dich selbst. Stattdessen kam es so: Arbeitslosigkeit für die einen – Überarbeitung und Mehrarbeit für die anderen.

Und ein weiterer Aspekt: Die Kosten des Gesundheitssystems gehören nach aktueller Rechnungsweise zum Bruttoinlandsprodukt, also zum Wirtschaftswachstum. In den USA sind den Autoren zufolge 17,9% der Bevölkerung (teilweise massiv) übergewichtig. Das führt zu teilweise drastischen gesundheitlichen Problemen, wie Diabetes und Störungen des Herz- Kreislauf-Systems. Doch hey, der herrschenden Schule zufolge ist das doch erfreulich – denn es erhöht das Bruttoinlandsprodukt! Das sind Aussagen, wie Sie typisch sind für Tomáš Sedláček.

Klarstellung

Und auch hier gilt: Dies ist meine rein subjektive Einschätzung und keine Aufforderung an Sie, diese Aktien zu handeln. Betrachten Sie meine Zeilen als Gedankenanstoß, nicht mehr und nicht weniger. Es geht um Ihr Geld – verantwortlich dafür sind Sie ganz alleine. Wir recherchieren nach bestem Wissen und Gewissen, übernehmen aber keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.